Bella Italia

Italien – Mitte Mai

Kurzusammenfassung

Italien liegt schon weit zurück, darum erinnern wir uns jetzt zusammen an die schöne Zeit mit Pizza, Caffe und willkürlich endenden Velowegen.

Für die Lesefaulen die knackige und aussagekräftige Zusammenfassung am Anfang:

Wetter

sonnig warm bis heiss, tagweise bewölt, 2 Nächte Regen – bis jetzt kein Regen beim Velofahren.

Strassenverhältnisse

– flache, begradigte Veloautobahn im Südtirol
– grobschottrige Wanderwege als projektierte Velowege südlich der Bergen
– EuroVelo entlang der Adria bringt grosse Abwechslung: Schlammpfad (Singletrail), Schotterstrasse, Gebüschquerungen, unpassierbare unangekündigte Baustellen, 4-spurige Autostrassen mit Geschwindigkeitsfreigabe und auch ab und zu verkehrsarme Nebenstrassen mit 200%-Streckenverlängerung.

Übernachtungsmöglichkeit

Es gibt überall Campingplätze. Wir nehmen was wir kriegen.

Essen

Italien, ihr kennt das Programm.

Top

Gelati, Caffe, Temperatur im optimalen Bereich, ein erstes Mal im Meer baden!

Flop

Die Strecke am Meer entlang geht in EuroVelomanier in unsäglichem Zick-Zack durch die Landwirtschaftszone ohne dass man das Meer auch nur sieht, flach und langweilig (abwechslungsreich!).

Die Lagunen sind zwar hübsch aber das Mordor der Mücken, am Abend steigen sie aus der Siffbrühe auf und fallen über alles Lebendige her.

grösste Angst

sehr individuell, Bären und unerwartete steilste Steigungen

das Trentino und der Bär

Eines Abends kurz vor Trento stellen wir aufgrund fehlender Routenplanung fest dass es hier keine Camingplätze gibt. Wer plant hier schon Tagesetappen, die Veloautobahn bringt dich in Kürze bis ans Meer! Gedacht und falsch gelegen. Wir biegen ab, suchen auf der aussagekräftigen Vektorkarte ein schönes Wäldchen neben einem schönen Flüsschen. Mit viel Fantasie kann man das in jede grüne Fläche auf der Karte projezieren. Wir folgen dem Strässchen durch Apfelplantagen ins Naturschutzgebiet und stehen plötzlich vor einer Felswand mit Kletterrouten. Nun ja.

Immerhin hat es Picknick-Tische. Wir warten von den italienischen Klettern verhalten beäugt aufs Eindunkeln um dann unser Material in einer Explosion um uns zu verteilen. Die dunklen Wolken am Himmel und der eher böige Wind lässt schwanken zwischen Zelt aufstellen und Schlafsäcke an den Wandfuss legen. Die Felswand ist überhängend, das wird wohl Regen und Steinschlag etwas fernhalten. Wir spannen ein Dach das zmiz in der Nacht wieder weg muss weil es sonst wegfliegt.

Alles gut soweit, ausser der grossen Angst vor dem Bär!

Irgendwo im Dorf hing ein ausgebleichter Zettel mit Hinweisen auf das Zusammenleben der Bevölkerung mit den Bären im Südtirol. Wir liegen im Schlafsack, unser Dach flappt im Wind, die Wolken ziehen schnell. Dann mitten in der Nacht, das Dach ist bereits abgebaut, DAS GERÄUSCH. Es ist ja normalerweise nie absolut still, es gibt hunderte Geräusche und das meiste davon versetzt uns nicht (mehr) in Alarmbereitschaft. Doch instinktiv hört man aus der Fülle des nächtlichen natürlichen Lärms die grosse Gefahr heraus. Der Bär bricht mit brachialer Gewalt durchs Unterholz, die Büsche rascheln, die Äste splittern, Puls auf 736 und wir stehen senkrecht (zum Glück ist das Dach weg). Das ist das Ende, hätten wir nur die Ess-Saccosche einen Kilometer weit weg in einen Baum gehängt!

Es ist ein Fuchs.

EuroVelo

jaaa das schöne Südtirol, das waren noch Zeiten! Aus der Schweiz durchs Vinschgau und über Meran, Bozen nach Trento liegt eine Veloautobahn. Verkehrsfrei, auf den den Dämmen neben den liebevoll begradigten Flüssen lässt es sich gut rasen. Falls man nicht gerade Gegenwind hat.

Wenn man aus den Bergen herauskommt wirds italienisch. Es gibt sehr viele Velowege, vorneweg das grosse EuroVelo-Netz. Nur schade lässt sich aus den europäisch finanzierten Infotafeln jeweils nicht herauslesen ob der Veloweg bereits realisiert ist oder wie eigentlich meistens erst projektiert und auf dem Papier besteht. So stehen wir an der Brenta mehrmals in grobschotterigem Schwemmgebiet des naturbelassenen Flusslaufs. ProNatur, KontraVelo. Aber sie haben das europäische Geld gut und sinnvoll für grosse schöne Infotafeln eingesetzt. Der Wille zählt! Wir murksen die Velos durch hüfthohes Gras über Dämme auf die dahinterliegende Nebenstrasse.

Venezia

Venezia, Stadt der Fahrräder! Nix da. Noch auf dem Weg dahin lesen wir dass Venedig gerade über die Feiertage ein Drehkreuz-System zur Lenkung der Touristenströme installiert hat. Das müssen wir unbedingt sehen!

Nach der eher stümperhaft geplanten Annäherug an Venedig stehen wir nach einigen grossen und vielbefahrenen Kreuzungen vor der langen Brücke nach Venedig. Die Auf- und Abfahren sowie die Verkehrgeschwindigkeit lässt uns daran zweifeln ob wir wirklich auf diese Strasse gehören. Dann taucht zu unserer linken der Fahrradweg über die Brücke auf, auf der anderen Seite der Leitplanke. Man sollte vielleicht etwas mehr Zeit in das Studium der Fahrradwege in Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen investieren. Zum Glück gibt es einen winzigen Seitenstreifen und wir können hier das ganze Gepäck vom Velo reissen und über die Leitplanke auf den Veloweg schmeissen. Die Velos gleich hinterher, die tausend Touristenbusse lassen dazu ermunternd ihre Hupen klingen.

200 Meter weiter vorne ist die Leitplanke unterbrochen und eine Kontrollstation mit Polizist hätte uns dort wahrscheinlich freundlich auf den Veloweg umgeleitet. Wir haben viel Schimpfis in uns, kanalisieren das aber in unsere Beine und strampeln über die Brücke nach Venedig.

In Venedig sind Fahrräder verboten. An den Toren der Stadt zweigen wir ab und nehmen die Fähre nach Lido und weiter zur Halbinsel bei Jesolo. Die Fährroute führt quer durch Venedig, und da die Fähre von dreckigen Dieselmotoren und nicht von Sträflingen mit langen Stangen bewegt wird wie die Gondeln ist das Aussichtsdeck einigermassen touristenreduziert. Wir geniessen die Aussicht auf die drehkreuzgeregelten Touristenströme und freuen uns auf den morgigen Tag der Stadtbesichtigung.

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Spiaggia

Der weitere Weg führt uns der nördlichen Adriaküste entlang Richtung Balkan. Wir fahren kilometerweit den wunderschön planierten Sandstränden entlang, die Ferienorte erwachen aus dem Winterschlaf. Es grillt uns bei herrlichen 25 bis 30 Grad, wir sind im Sommermodus. Die Italiener tragen Jeans und Daunenjacke und halten sich vom Meer fern. Die Ferienorte sind für tausende Feriengäste vorbereitet, Hotel steht neben Hotel, die Sonnenschirme in präzisen Reihen bis zum Horizont. Nur die für die arktische Kälte unempfindlichen Touristen aus Deutschland, Holland Österreich und der Schweiz wagen sich Anfangs Mai ans Meer in die Ferien. Im Sommer muss hier der touristisch-mediterrane Wahnsinn herrschen, die Infrastruktur lässt sich sehen. Wir sind froh wenn wir auf den Campingplätzen nach dem Duschen das Zelt ohne Karte wieder finden. Doch eigentlich gibts nichts zu rüsseln, die Leute sind nett, die Preise (noch) akzeptabel, das Wetter gut und das Meer warm genug um sich abzukühlen. Es gibt Bier, Pizza und Gelati – bella Italia!

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