Jeder Broteinkauf ein kleines Abenteuer

Brot (Nan) ist wichtig im Iran und wird zu jeder Mahlzeit serviert. Grundsätzlich wird Fladenbrot gegessen. Aber Form und die Dicke können stark variieren. Kaufen kann man Brot fast in jedem noch so kleinen Dorf. Irgendwo hat es mit Sicherheit eine Bäckerei, wo die Fladen entweder mit Holz oder mit Gas frisch gebacken werden.

Und zwar zwei Mal täglich. Morgens und abends. Kommen wir also um die Mittsgszeit in ein Dorf, haben wir Pech gehabt. Und welcher Bäcker am Freitag (hier der Ruhetag) offen ist, lässt sich manchmal auch nur schwerlich ermitteln. Im Zweifelsfall kaufen wir lieber bereits am Vorabend unsere Ration ein. Obwohl die Fladen natürlich schon frisch am besten schmecken.

Und heute ist wieder einmal so ein Donnerstag. Wir logieren in einem kleinen Gasthaus in einem ebenso kleinen Städtchen und bummeln durch die Strassen von Lädeli zu Lädeli, um unsere Einkäufe für den nächsten Velotag zu tätigen. Am Schluss kommen wir noch beim Bäcker vorbei. Und eigentlich möchten wir lieber frisches Brot am nächsten Morgen. Aber eben, wer weiss schon, ob die Bäckersfamilie am Freitag Brot macht?

Aline, Christoph und ich stellen uns in die Schlange. Warten gehört beim Bäcker dazu. Schliesslich werden die Fladen ungefähr im Halbminutentakt aus dem Ofen gefischt, auf das Abkühlgitter geknallt und dann gestapelt. Bis der aktuelle Kunde genug hat (je nach Familiengrösse sind die Stapel erstaunlich hoch), die Brote in Stoff einwickelt, zahlt und geht. Meist warten alle geduldig, häufig in zwei getrennten Schlangen, eine für Männer und eine für Frauen.

Wir stehen also in der Schlange und gluussen nach hinten zum Backbereich, wo neben dem glühend heissen Ofen die Grossmutter Teigballen formt, die Mutter aus den Ballen hauchdünne Fladen zieht, diese auf ein rundes Kissen legt und dann ihrem Mann übergibt. Dieser knallt dann die Teigfladen an die Wand des Ofens und fischt kurze Zeit später mit einer Eisenstange herrlich duftende Brote heraus.

Der etwa 12-jährige Junge bringt die Fladen dann nach vorne, stapelt und kassiert ein.

Wir versuchen mithilfe einer Übersetzungs-App rauszufinden, ob es auch morgen Brote gibt. Der Junge bejaht und wir wollen erfreut wissen wann. Diese Frage versteht er allerdings nicht, meint wir fragen nach dem Preis. Eine andere Kundin schaltet sich ein, versteht allerdings auch nicht mehr englisch als derJunge. Aus ihrer Kommunikation und derjenigen eines weiteren Kunden, schliessen wir sogar, dass es am Freitag keine Brote gibt. Also geben wir sechs Fladen in Auftrag. Während wir auf unsere Beige warten, winkt uns die Grossmutter nach hinten. Wir dürfen die Backstube besichtigen und Fotos machen. Die Grossmutter stellt Fragen, wir verstehen aber – wie meist – nicht, was sie wissen will. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass wir mit «Suisse» wohl richtig antworten. Und so ist es. Ab jetzt ist die Familie Experte was die komischen Touristen angeht. Jeder neue Kunde, der den Laden betritt und uns sieht, fängt sofort an Fragen zu stellen. Und die Familie antwortet. Wir verstehen immer wieder nur «Suisse».

Irgendwann taucht plötzlich noch der Grossvater auf und bringt uns Tee. Natürlich nur uns. Und wir kommen uns wieder einmal etwas blöd vor. Schliesslich sind wir nicht die einzigen Kunden, die auf Brot warten. Aber die einzigen, die Tee trinken. Und irgendwann haben wir dann auch unsere sechs Brote zusammen. Wir bezahlen, nehmen die Fladen auf den Arm und haben den ersten schon zur Hälfte gegessen als wir bei unserem Gasthaus ankommen.

Am nächsten Morgen fahren wir auf dem Weg aus dem Städtchen raus an der Bäckerei vorbei. Und natürlich ist sie offen.

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